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Ghosting von Autoren
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Mikes Meinung: Ghosting von Autoren

Ghosting ist ein Wort, das die meisten von uns erst bei Wikipedia nachschlagen müssen, um dann befremdet festzustellen, daß sie es selbst bereits erlebt haben.

Üblicherweise ist es ein Beziehungspartner, ein Freund oder ein Bekannter, der von jetzt auf gleich abtaucht und jeden Kontakt zu Dir vermeidet, Nachrichten nicht mehr beantwortet, Anrufe nicht annimmt, seine Türe nicht öffnet und Briefe ungelesen zurückgehen läßt. Der Ghostende macht sich damit die Sache sehr einfach, sei es aus Feigheit oder schlicht aus Lebensunfähigkeit. Der Geghostete – ich persönlich finde die Bezeichnung »Opfer« treffender – wird mit seinen Fragen allein gelassen und gerät leicht selbst in eine Krise, wenn er keine guten Freunde hat, die ihn über diese schwer erträgliche Situation hinweghelfen.

Ghosting tritt aber nicht nur im Privaten, sondern auch im Berufsleben auf. Sei es der Arbeitgeber, der sich nach einer Bewerbung auf seine Ausschreibung einfach nicht meldet oder auf der anderen Seite der Bewerber, der nach einem eigentlich erfolgreichen Gespräch plötzlich abtaucht.

Wir freien Autoren erleben regelmäßig Ghosting, wenn wir Unterlagen zu einem unserer Manuskripte an einen Verlag einreichen. In vielen Fällen werden wir keine Antwort erhalten, oft nicht einmal eine Eingangsbestätigung. Wir haben uns daran schon so gewöhnt, daß wir es als ganz normalen Umgangston im Geschäftsleben hinnehmen, wenn man uns so behandelt.

Das ist es aber nicht! Ich persönlich habe noch keinen Verlag gesehen, der auf seiner Webseite kommuniziert »Schicken Sie uns bloß keine Manuskripte.« Im Gegenteil! Sie werben sie aktiv ein, stellen teilweise sogar Regeln dafür auf und sind dann pikiert, wenn man es wagt, sie beim Wort zu nehmen.

Nun ist nicht jedes Manuskript und jedes Exposé von gleich hoher Qualität. Mir ist auch klar, daß manche – gerade die größeren Verlage – in einer Flut von überwiegend mittelklassigen Manuskripten ersticken und die allermeisten Einsendungen folglich aussortiert und womöglich nicht einmal angesehen werden. Dennoch: Ist es wirklich zu viel verlangt, für solche Fälle einen Textbaustein à la »Wir haben Ihre Einsendung dankend erhalten. Leider haben wir derzeit keine Verwendung dafür.« vorzuhalten und eben in eine Mail zu kopieren?

Hinter einem Manuskript stecken Monate, manchmal sogar Jahre harter Arbeit. Jedes Manuskript verkörpert eine Geschichte, die erzählt werden will. Wenn ich diese Leistung damit honoriere, daß ich die Person einfach ghoste, die sich mir da anvertraut hat, zeige ich einen Mangel an Professionalität und Sozialverhalten, den ich persönlich erschreckend finde. Damit werte ich den Betrieb, für den ich arbeite, zu einem reinen Rosinenpicker ab.

Mike-Gorden-Bretagne
Ghosting von Autoren 3

Selbst, wenn meine Einreichung erfolgreich ist und solch ein Verlag mein Manuskript annimmt, weiß ich doch dann, daß ich nicht als Mensch zähle, sondern nur als Material zum Erzielen von Gewinn betrachtet werde. Folglich muß ich damit rechnen, bei erster Gelegenheit wieder fallengelassen zu werden wie eine heiße Kartoffel. Es gibt ja genügend Autorenmaterial.

Für mich sind solche Verlage nicht besser als Druckkostenzuschußverlage. Die sagen wenigstens klar, daß sie eigentlich nur an unser Geld wollen und faseln nichts von Bildungsauftrag, Qualitätserwartungen und anderen hehren Ansprüchen. Ich finde, daß Verlage, die Autoren ghosten, genau so behandelt werden müssen wie Druckkostenzuschußverlage: auf eine Sperrliste und jedem raten, bloß die Finger davon zu lassen!


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